Deutsche Botschaft Kairo, Kairo 2013-2014
Nähe und Ferne
Die Deutsche Botschaft auf der Nilinsel Zamalek, im Zentrum von Kairo, führt Residenz und Kanzlei in einer baulichen Anlage vor Ort zusammen. Neben der Wahrnehmung politischer Aufgaben etabliert die Botschaft in der Arabischen Republik Ägypten ein stellvertretendes Territorium im Ausland, einen repräsentativen Ort in Vertretung der Bundesrepublik Deutschland.
An die Architektur stellt sich von daher der Anspruch, die abendländische Geschichte, Kultur, Gesellschaft und Tradition des Herkunftslandes in angemessener Weise zu verräumlichen und darzustellen. Auf der topologischen Ebene ergibt sich die eigentliche Anforderung an den Entwurf, da sich die Architektur einerseits vor Ort auf den nahen Kontext der Stadt einlässt und sich andererseits aber auf den fernen Ort eines anderen Landes bezieht.
Stadt am Fluss
In der Mitte Kairos ist das Territorium der Botschaft auf der Nilinsel Zamalek einesteils außenräumlich von weitläufigen Fluss- und Parklandschaften und anderenteils innenräumlich von den verdichteten baulichen Strukturen des Stadtgefüges her bestimmt. Residenz und Kanzlei sind getrennt von einander in zwei Baublöcken untergebracht, die sich aus der städtebaulichen Perspektive mit den heranrückenden nachbarlichen Türmen und Gebäuden zu einem Ensemble zusammenschließen. Mit der kompositorischen Anordnung und Orientierung der beiden Baukörper, im Besonderen aber mit der Lage der Residenz zum bestehenden Garten mit altem Baumbestand wird zugleich eine Verknüpfung mit der Flusslandschaft des Nils hergestellt.
Ausweis der Identität
Die Architektur der Botschaft verlässt sich auf Reminiszenzen und Referenzen abendländischer Baukultur, ohne dabei nachahmend, zitierend oder historisierend vorzugehen. Vielmehr geht es um die abstrakte Auslegung und eine räumliche Interpretation überlieferter Typologien, um eine zeitgenössische Architektur also, die sich insofern als Beitrag am baukulturellen Zusammenhalt von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft versteht.
Offen gleich öffentlich
Äußere und innere Fassaden der Botschaftsgebäude und der erweiternden baulichen Anlagen zeigen eine durchgängige Gliederung aus Pfeiler und Gebälk. Die dahinter zurücktretenden Öffnungen, Lauben und Loggien, Fenster und Nischen bringen eine Porosität der Wände hervor, die mittels Licht und Schatten als ein filigranes, plastisches Gewebe erscheint, das Räume und Formen ganz umschließt. Über die Räumlichkeit ihrer Wände vermittelt die Architektur den repräsentativen Charakter des Öffentlichen, mit anderen Worten der Offenheit im Anschluss an die lokale Räumlichkeit der Stadt.
Häuser und Höfe
Für die innere Raumgestaltung der Architektur und des Areals setzt der Entwurf typologisch auf das Thema „Haus und Hof“. Residenz und Kanzlei sind in ablesbar autonomen Häusern untergebracht, die über und unter dem Erdboden durch abwechselnde Höfe zugleich voneinander geschieden und verbunden sind. Den Binnenbereichen der Höfe sind weitere bauliche Nebenanlagen zugeordnet. Häuser und Höfe über- und unterschneiden sich gegenseitig und lassen die „inneren Innenräume“ von Hallen, Zimmern und Wegen mit differenzierten Raumfolgen in die „inneren Außenräume“ von Höfen, Loggien und Lauben übergehen. Und wie die Höfe auf den Typus des Forums rekurrieren, adaptieren die Häuser den des Atriums.
Kleinstadt als Botschaft
Die verschiedenen inneren und äußeren Räume und Raumfolgen sind einer kleinen Stadt gleich mit ein- und ausschließenden Widmungen versehen. Der aus Sicherheitsbedürfnissen angeforderten Trennung in öffentliche, halböffentliche, halbprivate und private Bereiche trägt die baulich-räumliche Struktur des ganzen Botschaftsgeländes Rechnung ohne dabei auf eine jeweils angemessene architektonische Repräsentation zu verzichten.
Licht und Schatten
Den mediterranen und vermehrt noch wüstenhaften Wettern des Ortes verdankt der Entwurf eine plastische Architektur der tief in das Innere reichenden Öffnungen der Häuser und der durchgängig gedeckten äußeren Wege der Höfe. Mit einer „Architektur der Schatten“ bezieht sich der Entwurf auf den regionalen Ort.
Pfeiler und Gebälk
Die Gewände der Räume wie auch der Formen sind fortlaufend durch Pfeiler und Gebälk bestimmt. Als Struktur und Element stellen sie die einheitliche Erscheinung der baulichen Anlage sicher, ohne dabei auf eine differenzierte Durchbildung räumlicher Anforderungen zu verzichten. Breite, Höhe und Tiefe der die Räume repräsentierenden Öffnungen sind variabel angelegt. Das Bauen auf der Grundlage proportionaler räumlicher Module und formaler Elemente stellt nicht nur eine pragmatische Vorgehensweise dar, vielmehr kann sich nur so das vielschichtige bauliche Ganze als organismischer Zusammenhang vorstellen.
Stadt aus Staub
Der unmittelbare Ort, d.h. hier der „lokale“ Ort der Stadt, kommt in der Architektur der Botschaft über „Raum und Materie“ zum Ausdruck, räumlich mittels Licht und Schatten, materiell über Glasur und Farbe des Backsteins. Die nach außen weisenden gemauerten Wände der baulichen Anlagen treten im gebräuntem Ocker auf, in der Farbe Kairos, in einer Farbigkeit, die alle Architekturen der Stadt, so verschieden sie auch sein mögen, zu vereinheitlichen scheint. Mit den äußeren plastischen Wänden weist sich die Botschaft als Baustein der Stadt aus, über Material und Farbe trägt sie einer konvergenten Stadtraumgestaltung Rechnung. Gegen die natürliche und künstliche Verstaubung der Stadt sind die Steine mit der Glasur geschützt.
Die innere Räumlichkeit der baulichen Anlagen stellt sich in einer heiteren Vielfarbigkeit vor. Höfe und Hallen sind über ihre Lagen im Gefüge, ihre Formen, ihre Proportionen und insbesondere ihre farbige Gestimmtheit von einander geschieden und miteinander verbunden. Dabei zeigen sich die farbigen Glasuren der Backsteine in einer leuchtenden bis opaken, glänzenden bis matten, deckenden bis transluzenten Tonigkeit, die den darunterliegenden ockerbraunen Scherben bisweilen auch ganz freilegt. In der Vielfarbigkeit der inneren Räume und über die Einfarbigkeit der äußeren Formen weist die Architektur auf den Ort zurück, auf Stadt und Landschaft Kairos.
Projekt: Deutsche Botschaft Kairo - Neubau von Kanzlei und Residenz
Anmerkung/en: [Wettbewerb: Entwurf, Modell]
Ort: Kairo
Jahr: 2013 - 2014