La bonne ville
Idee. Die gute Stadt
Der zur Disposition stehende Ort in Bonn-Dottendorf gehört denjenigen peripheren Lagen der Stadt an, die als Stadtlandschaften über keine einprägsame Identität verfügen. Orte wie diese sind ihrem Charakter nach weder der Landschaft noch der Stadt zuzurechnen. Sie erscheinen als offene Felder, auf denen die Großformen solitärer Architekturen als Kraftwerke, Fabriken, Schulen und Sporthallen unvermittelt und zerstreut auftreten. Zwischen den Bauwerken entstehen keine Korrespondenzen, sondern nur vielerlei Abstände, die als Flächen unterschiedlicher Widmung in Grün und Grau vorkommen. Eine städtische Raumbildung, die allein dem Ort eine wohnliche Atmosphäre stiftete, fehlt vollständig und kommt erst weiter im Südwesten mit der einsetzenden geschlossenen Bebauung des alten Kerns von Dottendorf zum Erscheinen. Der Ort wirft die Frage auf, in welcher Weise das Wohnen eingeräumt werden könnte. Hier ein Dorf zu etablieren hieße, die beschriebene Stadtlandschaft ländlich zu interpretieren, aber die monumentale Größe der sich vor Ort zeigenden Bauwerke, Schienentrassen und ausgedehnten Sportanlagen ließen ein Dorf, das vom ländlichen Charakter bestimmt wäre, an diesem Ort als die maßstäblich falsche Antwort erscheinen. Auch aus stadtbaulicher Perspektive wäre die Stadtlandschaft an diesem Ort wohl eher in Ihren urbanen Qualitäten zu stärken, um die räumliche Vernetzung und Dichte des Stadtkörpers zu intensivieren. Wie nun aber ließen sich die Bedürfnisse nach städtischer, architektonischräumlicher Atmosphäre einerseits und nach Nähe zur landschaftlichen Natur andererseits in Einklang bringen, ohne die Stadt als großes Raumwerk preiszugeben? La bonne ville gibt eine exemplarische Antwort auf diese für den besonderen Ort sich stellende Frage: Die gute Stadt berücksichtigt den Ort der Stadtlandschaft, indem sie ihn neu gründet. Mit ihren baulichen Grenzen stellt sie die große Form in eindeutigen Konturen vor. Mit ihrer Proportionalität und Maßstäblichkeit versammelt die städtische Blockform die bestehenden Bauwerke und zieht sie in der relationalen Verknüpfung zu einem Ensemble zusammen. Die gute Stadt stiftet innere Raumfolgen aus Plätzen, Straßen, Passagen und kleinen Höfen, die an den großen Landschaftsgarten in der Mitte der baulichen Anlage angeschlossen sind. Die Einheit der großen Form stellt sich nach Innen wie auch nach Außen als Mannigfaltigkeit verschiedener Häuser vor.
Typus. Der Platz, die Straße, das Haus und der große Garten
Nach einer langen Kulturgeschichte der Stadt ist die Frage nach dem Wohnen in der Stadt, oder zwischen Stadt und Land oder auf dem Land in der Stadt offen geblieben und insofern nach Zeit und Raum aufs Neue zu stellen: Platz, Höfe, Straßen und Häuser sind architektonische Innenräume der guten Stadt. In einer gebundenen Raumfolge sind sie durch Passagen, Treppen, Tore, Loggien und Terrassen mit dem Außenraum des großen Gartens verbunden. In die Landschaft des Gartens tritt man aus der Stadt heraus, wie man auch von Außen erst durch das Tor auf den Platz in die Stadt hinein gelangt. Die stadträumlichen Entwürfe aus der Mitte des 18. Jahrhunderts von Nancy in Frankreich und von Bath in England, zeigen obschon der Unvergleichbarkeit städtischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen räumliche Aspekte, die als Reminiszenzen der guten Stadt gelten können: In beiden Fällen werden ausgeprägte städtische Raumsequenzen vorgestellt, die stets eine bestimmte Öffnung zur Landschaft einbeziehen.Die Einheit der Großen Form ist der Gemengelage der Stadtlandschaft geschuldet. Die beiden Idealstadtentwürfe von Chaux in Frankreich des ausgehenden 18. Jahrhunderts oder auch von New Harmony aus der dritten Dekade des 19. Jahrhunderts bringen mit dem geometrischen Zuschnitt der Großform einerseits die Gründungsidee der Stadt in Opposition zur Landschaft zum Ausdruck, andererseits steht die Einheit der Form auch symbolisch für die Einheit einer höheren Idee, z.B. einer gesellschaftsgebundenen Vorstellung von Stadt. Die gute Stadt bringt in den äußeren und inneren Formen ihrer Räumlichkeit die Idee gemeinschaftlichen Wohnens zum Ausdruck.Die Nachbarschaft des inneren städtischen Platzes und des äußeren großen Gartens bilden die Mitte der baulichen Anlage. Der Gegensatz von Stadt und Land ist in der räumlichen Konstellation des Inneren aufgehoben. Die Hufeisensiedlung von Bruno Taut in Berlin oder auch die Jarrestadt von Fritz Schumacher in Hamburg, beide aus den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts, stellen insoweit Versuche dar, Stadt und Landschaft als Siedlung räumlich zu überlagern. Auch hier nehmen große Gärten die Mitte der baulichen Anlagen ein, aber die offenen zur Mitte hinführenden langen und gleichförmigen Zeilen lassen eine wahrhaft städtische Raumbildung vermissen. Die gute Stadt zeigt Vielfalt in der Einheit. Die große Form ist aus verschiedenen Häusern zusammengesetzt. Die unterschiedlichen Typen tragen den unterschiedlichen Bedürfnissen der Bewohner Rechnung, ohne die räumliche Idee der Stadt preiszugeben.
Topos. Neues Quartier der Stadt
Größe und Proportion der baulichen Anlage resultieren in gleicher Weise aus der Rücksicht auf den unmittelbaren Ort der Stadtlandschaft zwischen Bonn und Bad Godesberg einerseits und auf die mittelbaren Orte historisch gewachsener Quartiere der Stadt andererseits. So lassen sich die räumlichen Dispositionen der Straßen, der Plätze und des großen Gartens mit denen der Bonner Südstadt vergleichen. Der doppelschalige Block stellt sich als Kompartiment mit der gewohnten Räumlichkeit des gründerzeitlichen Quartiers vor. Gleiches gilt für die Maßstäblichkeit der Häuser. Mit Vorgärten, Treppe und quer liegenden, offenen Lauben prägen die Häuser mit
ihren individualisierten Fassaden in der hellen Farbigkeit von Putzen und Steinen den Straßenraum. Die gute Stadt nimmt Maßstab und Proportion auch mittelbarer Orte der großen Stadt auf. La bonne ville ist das neue Quartier der Stadt Bonn.
Projekt: La bonne ville
Anmerkung/en: [Wettbewerb: Entwurf]
Ort: Bonn-Dottendorf
Jahr: 2010 - 2010